Alle vier Jahre veranstaltet der Chaos Computer Club, dem ich nun auch angehöre, ein Camp zusätzlich zum Kongress. Ich hatte bisher nur Gutes gehört, der Preis war jedoch etwas abschreckend. Das Spektakel ist allerdings unkommerziell und wird größtenteils ehrenamtlich organisiert. Die Pyonen („Nation of Gondwana“) sorgen für die grobe Infrastruktur sowie vermutlich Licht und Klangkunst. Der CCC e. V. kümmert sich um die sonstigen Inhalte. Das gesamte Gelände mit Strom und W-LAN auszustatten, wird nicht einfach gewesen sein. Ein Marder trieb wohl im Vorfeld sein Unwesen und sorgte für Stillstand. Die Anwohner_innen sollen wohl sehr traurig gewesen sein, als sie erfuhren, dass das W-LAN bald nicht mehr zur Verfügung steht.
Selbst die Referenten müssen sich Tickets für ca. 220 Euro kaufen. Workshops etc. werden in sogenannten Villages selbst organisiert. Um Inhalte für meine neuen Websites zum Thema VR zu schaffen, aktivierte auch ich ein paar Ressourcen. Für einen Nudistenumtrunk und anderen Schabernack hat es auf jeden Fall gereicht.
Vor Ort konnte man lernen, wie man Schlösser knackt (hatte dafür leider keine Zeit, werde ich aber nachholen). Das ausgeteilte „Rad1o Badge“ befähigt den Besucher wohl noch zu weiteren Aktionen. Ich war froh, als ich meins zusammen gebaut und meinen Namen einprogrammiert hatte. Es ist wohl so eine Art Schweizer Taschenmesser im Funkbereich und wird in gute Hände abgegeben, die es mehr wertschätzen können.
Als großer Fan des „Happy Trains“ (so nenne ich alle kleinen zugähnlichen Wagen, ob auf Schiene oder Straße) habe ich mein Zelt direkt hinter der Schiene aufgestellt. Der Abendzug fuhr mit Blumenkästen, Bar und sogar Bällebad und beschwerte mir die schönsten Momente.
Auch musikalisch war ich überzeugt. Mein Lieblings-DJ Grizzly spielte auch. Gut, dass ich das Lineup vorher entziffert hatte, ein echter Geheimtipp… Mit von der Partie waren die Raver von morgen. Drei blonde 5-jährige rockten die Tanzfläche noch kurz vor Mitternacht.
Die Dixi-Toiletten waren zu „Datenklos“ umgebaut worden. Stattdessen gab es ausreichend Wassertoiletten. Ohne Schlange für Frauen. Männer waren zwar in der Mehrzahl, aber es war doch recht harmonisch aufgeteilt. Viele hatten sich auch einen Rock angezogen. Nur beim Speeddating wurde das Missverhältnis angeblich erkennbar.
Es gab sehr interessante Vorträge, nicht nur zu Nerd-Themen. Ich lernte, warum „Mier – Mate-Bier“ (Mate-Bier-Misch) sich noch nicht durchgesetzt hat und, dass es „Women on Waves“ gibt, eine Organisation, die Frauen in verschiedenen Ländern bei Abtreibungsfragen unterstützt, Drohnen zur grenzüberschreitenden Medikamentenversorgung einsetzt und sie notfalls auf internationale Gewässer fährt, um ihnen legal zu helfen. Inhaltlich ging es auch um Netzpolitik und darum, wie man Geflüchteten helfen kann, mit Familie und Freunden zu kommunizieren. Außerdem um ganz viel Kram, den ich bisher nicht verstehe.
Das Camp fand in der Ziegelei Mildenberg statt, einem schönen Gelände in einer Seenlandschaft mit Streichelzoo. Mein Fahrrad, mein Computer und andere Wertgegenstände kamen nie abhanden. Sämtliche Technik lag herum. Ein Sicherheitsmitarbeiter sagte, es hätte wohl einen Vorfall gegeben, bei dem ein Portemonnaie entwendet wurde. Insgesamt ein toller Abenteuerspielplatz, den ich gerne wieder besuchen würde.
Vom Verfassungsschutz wurde ich nicht abgeworben. Aber immerhin: Ich habe die Frau, die Edward Snowden zur Flucht verholfen hat, getroffen und mich getraut von der Rutsche des Grauens im Irrgarten zu rutschen. Zum Abschluss gab es noch eine Runde im Happy Train, der RBB berichtete sogar von unseren Ballsortieraktivitäten, rote Kügelchen von grünen zu sortieren ist mein geheimer Lieblingsjob. Der Schaffner hatte keine Lust mehr, zu kontrollieren.
uli Pforr
19. August 2015 — 1:45
ich glaub ich spinne! Sapperlot!